Christine Schirmer berichtet ausführlich über die geplante Erweiterung des Tagebaus Wellmersdorf.
Beschluss:
Es wird festgestellt, dass kein Mitglied des Gremiums an der Beschlussfassung teilnimmt, das im Sinne des Art. 49 GO befangen ist.
Der Stadtrat der Stadt Neustadt b. Coburg fasst folgenden Beschluss:
Die Stadt Neustadt b. Coburg nimmt die Unterlagen der Regierung von
Oberfranken – Bergamt Nordbayern – im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens „Geplante Erweiterung des Tagebaus
„Wellmersdorf“ in nordwestliche Richtung durch die Firma Quarzsandwerk
Wellmersdorf GmbH & Co. KG“ zur Kenntnis und nimmt wie folgt Stellung:
Die Stadt Neustadt verweist auf ihr Schreiben vom
25.09.2019. Die vorgebrachten Belange bleiben, bis auf den Belang der
Denkmalpflege, der aus Sicht der Stadt Neustadt ausreichend berücksichtigt
wird, unverändert bestehen.
Die Stadt Neustadt b. Coburg erhebt
massive Bedenken gegen die geplante
Erweiterung von 7,7 ha des Tagebaus „Wellmersdorf“ in nordwestliche Richtung durch die Firma
Quarzsandwerk Wellmersdorf GmbH & Co. KG.
Die Stadt Neustadt b. Coburg verfügt seit 2003 über einen
rechtswirksamen Flächennutzungsplan. Die geplante Erweiterungsfläche des
Tagebaus widerspricht in Teilbereichen den Darstellungen dieses
Flächennutzungsplans. Der rechtswirksame Flächennutzungsplan der Stadt Neustadt
stellt diese Flächen als landwirtschaftlich genutzte Flächen, als Waldflächen
und als geschützten Landschaftsbestandteil (Teiche östlich des Haider Teiches)
dar. Angrenzend befindet sich das zukünftige Industriegebiet
„Neustadt 2“, für das ein rechtskräftiger Bebauungsplan existiert. Die
Ausführungsplanung hierzu werden derzeit erstellt.
Im 14. Flächennutzungsplanänderungsverfahren wurde der
Flächennutzungsplan der Stadt Neustadt neu fortgeschrieben. Alle öffentlichen
Planungsträger, auch das Bergamt Nordbayern, wurden am Verfahren beteiligt. Die
im Rahmen dieser Beteiligung vorgelegten Fachplanungen wurden in den
Flächennutzungsplan eingearbeitet.
Um die Zukunft für den Sandabbau sicherzustellen, wurde in gemeinsamen
Abstimmungen mit dem Bergamt Nordbayern, dem Quarzsandunternehmen und der
Regionalplanung Erweiterungsflächen vorgesehen. Für den Fall, dass eine vom
gültigen Flächennutzungsplan abweichende Fachplanung erstellt werden soll, wäre
das Benehmen mit der Stadt Neustadt erforderlich.
Die nun vorgelegten Flächenerweiterungen befinden sich mit ca. 4,8 ha
außerhalb des Vorranggebietes „Pegmatitsand“ des Regionalplanes
Oberfranken-West sowie außerhalb der im rechtswirksamen Flächennutzungsplan der
Stadt Neustadt dargestellten Abbaufläche „Pegmatitsand“ mit Erweiterungsoption.
Das Quarzsandwerk Wellmersdorf verfügt insgesamt (laut vorliegenden Unterlagen)
über eine Abbaufläche von 53,7 ha. Bisher erfolgte die Rohstoffgewinnung auf
einer Fläche von 17,7 ha. Das bedeutet,
dass das Quarzsandwerk Wellmersdorf derzeit noch über 36 ha planfestgestellte
Abbaufläche verfügt. Nach überschlägiger Berechnung und angenommener Abbaugröße
ca. 2,9 Millionen Tonnen (s. Unterlagen Quarzsandwerk) und einer Beibehaltung
der jährlichen Förderung von etwa 320.000 Tonnen kommt man auf ca. 13 bis 14 Millionen Tonnen Pegmatitsand
der auf der planfestgestellten Fläche noch abgebaut werden könnte. Nach
Vorgaben des Quarzsandwerkes liegt die jährliche Rohstoffförderung bei etwa
320.000 Tonnen, liegt man dies zu Grunde, bedeutet das, dass auf der planfestgestellten Fläche noch für
mindestens 43 Jahre Pegmatitsandabbau möglich ist. Nachdem der
Rahmenbetriebsplan nur noch 23 Jahre einen Abbau vorsieht (31.12.2045
befristet), erscheinen die planfestgestellten Abbauflächen bereits jetzt weit
überdimensioniert, selbst bei einer größeren Rohstoffförderung als angenommen.
Aus Sicht der
Stadt Neustadt stellt dies eine weitere unverhältnismäßige Bevorratung von
Fläche dar! Eine nachhaltige städtebauliche
Entwicklung, die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in
Einklang zu bringen und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte
Bodennutzung zu gewährleisten hat, ist so für die Neustadter Bevölkerung und
ihre Belange nicht mehr darstellbar!
Die Erweiterungsfläche des geplanten Abbaugebietes grenzt unmittelbar an
das einzige zukünftige Industrie- und Gewerbegebiet „Neustadt 2“ (die Fläche
1.2 Industriegebiet „Neustadt 1“ ist nicht mehr umsetzbar) der Stadt Neustadt
an. Entgegen den Darstellungen der vorgelegten Unterlagen
befindet sich die Stadt Neustadt derzeit in intensiven Investorengesprächen und
erwägt eine zeitnahe Umsetzung des Industriegebietes. Die Stadt Neustadt
befürchtet schwerwiegende Beeinträchtigungen für ihr zukünftiges Industrie- und
Gewerbegebiet, vor allem hinsichtlich der zu erwartenden Vibrationen und
Erschütterungen, Staub- und Lärmimmissionen. In der Zusammenfassung Anlage 5
wird darauf explizit hingewiesen, dass bei einer Ansiedlung zukünftige Betriebe
„ist daher in den dazugehörenden Umweltgutachten, der zum gegebenen Zeitpunkt
bestehende Tagebaubetrieb in der Bewertung zu berücksichtigen“. Dies stellt
eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Planungshoheit für die Stadt Neustadt
dar. Eine Vermarktung ihrer Flächen wird dadurch erschwert bzw. unmöglich
gemacht (z. B. staubempfindliche Industriebranchen usw.).
Die Bevölkerung, hauptsächlich in den Stadtteilen
Wellmersdorf (1,3 km Entfernung) und Boderndorf (1,1 km Entfernung), ist jetzt
schon durch die derzeitigen Abbauflächen hinsichtlich Staub- und
Lärmimmissionen besonders belastet. Nicht nur durch den Betrieb des Quarzsandwerkes,
auch durch den ständigen An- und Ablieferverkehr. Die vorgenommene Abwägung in
den vorliegenden Unterlagen kann in keiner Weise so akzeptiert werden. Das Umweltministerium hat mit UMS vom 13.08.2008
mitgeteilt, dass Quarzfeinstaub krebserregende
Wirkung am Menschen hat. Für krebserzeugende Stoffe gilt generell das
Minimierungsgebot entsprechend der TA Luft. In den Unterlagen wird das Thema
„Staub- und Staubentwicklung“ vollkommen heruntergespielt. Es entsteht beim
zukünftigen Abbau „genauso wenig Staub, wie beim jetzigen Abbau“. Die
Staubentwicklungen, auch außerhalb des Abbaugebietes, lassen sich sehr wohl auf
offiziellen Luftbildern nachweisen. Das Bergamt Nordbayern hat sich im
Scoping-Termin ausdrücklich der Stellungnahme des Bayerischen Landesamt für
Umwelt angeschlossen, dass das Thema „Quarzfeinstaub“ „abzuarbeiten“ ist.
Die
Stadt Neustadt fordert, entsprechend der Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt,
ein immissionsschutztechnisches Gutachten erstellen zu lassen.
Dieses Gutachten liegt den Unterlagen nicht
bei!
Weiterhin
kann die oberflächliche Abarbeitung des Schutzgutes „Klima“ nicht mitgetragen
werden. Die Stadt Neustadt hat sich als Ziel gesetzt bis 2030 klimaneutral zu
sein. Hierfür lässt sie derzeit durch Fachbüros einen Energienutzungsplan sowie
ein Klimaanpassungskonzept erstellen. Insofern wäre durch eine gutachterliche
Beurteilung die „Klimaneutralität“ der Maßnahme in allen Umsetzungsstadien darzulegen.
Hinsichtlich des Schutzgutes „Grundwasser“ bleibt die Stadt Neustadt bei
ihrer ablehnenden Haltung. Trinkwasser ist unser kostbarstes Gut. Der Schutz
der Grundwasserbrunnen (Brunnen der SÜC und der SWN) einschließlich ihrer
Einzugsbereiche muss sichergestellt sein. Eine Gefährdung der Wasserversorgung
ist gerade im Kontext des Klimawandels nicht hinnehmbar. Die Brunnen und deren
Wasserschutzgebiete die der Versorgung der Bevölkerung von Neustadt, Coburg,
Rödental und weiterer Gemeinden im Umland dienen, liegen in einer Entfernung
von ca. 300 m vom Abbaugebiet. Das Wasserwirtschaftsamt Kronach sowie das
Landratsamt Coburg/Wasserrecht haben erhebliche Bedenken beim Scoping-Termin
geäußert, dass durch die Maßnahme die Grundwasserdeckschichten in nicht unerheblichen
Maße tangiert werden, was ein grundsätzliches Gefährdungspotential darstellen
kann (siehe Scoping-Niederschrift). Unabhängig davon haben die öffentlichen
Wasserversorger gemeinsam ein hydrogeologisches Gutachten für den sogenannten
„Neustadter Kessel“ in Auftrag gegeben. Die Fertigstellung des Gutachtes soll
voraussichtlich im Juni 2022 erfolgen. Die Ergebnisse dieses Gutachtens sind
auch aus Sicht der Stadt Neustadt zwingend abzuwarten.