Beschluss: zur Kenntnis genommen

1. Sachverhalt

 

Direkt nach den Abschlussarbeiten des Internationalen PuppenFestivals Neustadt und Sonneberg 2021 startete die Stadtverwaltung, Bereich Kultur Sport Tourismus, im Oktober in die Bewerbung des Neustadter Kinderfestes als Immaterielles Kulturerbe in das Bayerische Landesverzeichnis.

 

Immaterielles Kulturerbe – das sind lebendige Traditionen, die einer Gemeinschaft ein Gefühl der Identität und Kontinuität vermitteln. Diese kulturellen Ausdrucksformen werden entscheidend von menschlichem Wissen und Können getragen und zeichnen sich durch ihre Vielfalt aus. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben und dabei in Auseinandersetzung mit der Umgebung – also etwa Natur bzw. Gesellschaft – fortwährend neu gestaltet. Außerdem stehen sie im Einklang mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften, dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen Entwicklung.

 

Seit dem Jahr 2003 stellt die UNESCO kulturelle Ausdrucksformen in den Fokus der Öffentlichkeit – darunter den spanischen Flamenco, die japanische Puppentheatertradition oder die iranische Teppich-Knüpfkunst. Überall auf der Welt sollen überliefertes Wissen und Können, das einen wesentlichen Bestandteil unserer Alltagskulturen ausmacht, als immaterielles Kulturerbe (IKE) sichtbar gemacht sowie Maßnahmen unterstützt werden, die zur Erhaltung und Weiterentwicklung geeignet sind.

 

Bereiche, in denen Immaterielles Kulturerbe zum Ausdruck gebracht wird, sind:

a) mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksweisen

b) darstellende Künste (Musik, Theater, Tanz)

c) Bräuche, Rituale und Feste

d) Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum

e) traditionelle Handwerkstechniken

f) Formen gesellschaftlicher Selbstorganisation.

 

Die Bundesrepublik Deutschland ist dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes im Jahr 2013 beigetreten. Teil der innerstaatlichen Umsetzung ist die Einrichtung eines Bundesweiten Verzeichnisses des Immateriellen Kulturerbes. Daneben gibt es ein eigenes Bayerisches Landesverzeichnis.

 

Alle zwei Jahre besteht im Rahmen bundesweit einheitlicher Bewerbungsphasen die Möglichkeit, einen Aufnahmeantrag einzureichen. Eine unabhängige Expertenkommission begutachtet zunächst auf Grundlage des UNESCO-Übereinkommens die eingereichten Bewerbungen. Auf Basis dieser fachlichen Empfehlung wird in Bayern über eine Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis sowie die Nominierung für das Bundesweite Verzeichnis entschieden. Die Kulturministerkonferenz erstellt aus den Aufnahmevorschlägen aus den Bundesländern eine Gesamtliste. Sie beschließt anschließend über die Aufnahmen in das Bundesweite Verzeichnis sowie über die deutsche Nominierung für eine Aufnahme in die weltweiten UNESCO-Listen.

 

Die Stadt Neustadt bewarb sich im November 2021 unter Kategorie c) mit dem Neustadter Kinderfest und zusätzlich unter Kategorie b) mit dem Neustadter Rutscher. Hierzu musste ein 17-seitiges Antragsformular mit Fragen zu Entstehung und Wandel des Festes, zu Geschichte, Entwicklung, Wirkung u. v. m. bearbeitet werden. Zusätzlich waren 10 Bilder einzureichen, die vor allem die heutige Praxis der kulturellen Ausdrucksform illustrieren und ihre Bedeutung sichtbar machen. Weiter bedurfte es zweier fachlicher Begleitschreiben von sachkundigen Personen mit vertieftem Bezug zum Thema. Hilfe hat sich die Stadt u. a. bei Heimatpflegerin Isolde Kalter aus Neustadt, Kreisheimatpfleger Thomas Schwämmlein des Landkreises Sonneberg, Prof. Dr. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger für Oberfranken, sowie Herrn Dr. Helmut Groschwitz der „Beratungs- und Forschungsstelle Immaterielles Kulturerbe Bayern“ geholt.

 

Am 18. Februar 2022 traf ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat zum o. g. Antrag im Bereich KST mit folgendem Wortlaut ein:

 

„Im Rahmen der Prüfung hat sich herausgestellt, dass das Fest in der Tradition der Gregoriusfeste steht, die bereits im Bayerischen Landesverzeichnis eingetragen sind. Wir würden Sie daher um eine Rückmeldung bis Ende Februar bitten, ob Sie im Falle einer positiven Entscheidung über die Bewerbung damit einverstanden wären, dass diese bereits eingetragene Kulturform ergänzt wird um das „Neustadter Kinderfest“. Die bisherige Trägergruppe (Markt Thurnau in Abstimmung mit den Gemeinden Creußen, Kasendorf, Kulmbach, Pegnitz und Schnabelwald) wird ebenfalls um Rückmeldung gebeten, ob mit einer solchen Ergänzung Einverständnis bestünde. Wir bitten um Verständnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine endgültige Aussage zur Entscheidung über die Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis getroffen werden kann.“

 

Die Stadtverwaltung Neustadt bestätigte schriftlich, dass sie im Falle einer positiven Entscheidung über die Bewerbung damit einverstanden sei, dass die im Bayerischen Landesverzeichnis bereits eingetragene Kulturform („Gregoriusfeste“) um das „Neustadter Kinderfest“ ergänzt werde.

 

Am 29. März 2022 erhielt der Bereich KST ein weiteres Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, in dem sie auf die Möglichkeit hingewiesen haben, den Antrag „Neustadter Kinderfest“ im Rahmen eines verkürzten Verfahrens zu überarbeiten und neu einzureichen.

 

Am 19. April 2022 folgte eine E-Mail mit einer Einladung zu einem Gespräch mit den Mitgliedern des Expertengremiums am Freitag, 13. Mai im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in Nürnberg. Frau Brückner, Bereich KST, nahm an der Besprechung teil. Heimatpflegerin Isolde Kalter war wegen Krankheit verhindert. Ebenfalls eingeladen und vor Ort war 2. Bürgermeister Veit Pöhlmann (Markt Thurnau).

Das Gespräch diente dazu, die Gründe für die Rückstellung des Antrags zu erläutern, um der Stadt Neustadt dadurch die Möglichkeit zu eröffnen, den Antrag zu überarbeiten und ggf. erneut einzureichen. Da der bisherige Eintrag „Gregoriusfest“ (Antragsteller Veit Phölmann, Markt Thurnau) im Bayerischen Landesverzeichnis um das „Neustadter Kinderfest“ erweitert werden soll, bedarf es der Zustimmung der bisherigen Trägergruppe.

 

Veit Pöhlmann stimmte einem Untereintrag nicht zu. Das Neustadter Kinderfest habe Gregorius nicht im Wortlaut, es gebe 3-tägigen Volksfestbetrieb und die Gregorius-Tradition käme nicht zum Ausdruck. Es werde drei Tage am Stück gefeiert und das Neustadter Kinderfest im Rahmen von Neifeier und Marktfest auch als 3-Tages-Event überall beworben. Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb die Trägergruppe die Stadt Neustadt b. Coburg damals bei ihrem Antrag nicht mit einbezogen habe.

Frau Brückner korrigierte Pöhlmanns Ansicht und stellte den tatsächlichen Ablauf sowie die Elemente des Kinderfestes dar. Sie betonte dessen eigene und hervorgehobene Wertigkeit und Bedeutung im Rahmen des Festwochenendes.

Das Expertengremium sah keinen Grund für eine Nichtaufnahme in Form eines Untereintrages. Das Ergebnis des Gespräches war letztendlich die Vereinbarung, dass die Städte und Gemeinden gegenseitig Kinderfest und Gregoriusfeste besuchen und sich ein Bild machen sollen.

 

Zum Bürgermeisterempfang am Kinderfesttag, 9. Juli 2022, wurde die Trägergruppe daher nach Neustadt b. Coburg eingeladen. Es reisten vier Vertreter an, darunter auch 2. Bgm. Veit Pöhlmann aus Markt Thurnau.

 

Im gleichen Zuge wurde die Stadt Neustadt zum Gregorifest in Kasendorf am 12.07.2022 eingeladen. Frau Brückner, Bereich KST, nahm den Termin in Vertretung der Stadt Neustadt wahr. Sie stellte fest, dass das Gregorifest in weiten Teilen mit der Tradition des Neustadter Kinderfestes übereinstimmte, wenn auch im Umfang natürlich erheblich kleiner war (Festumzug, Blaskapellen, Verzehrgutscheine für Kinder, Aktionen für Kinder, Tänze und Aufführungen von Kindern, Blumenschmuck, Dekoration, Einzug auf den Festplatz usw.).

 

       

 

Frau Brückner wurde zugetragen, dass 2. Bgm. Veit Pöhlmann mittlerweile seine Meinung geändert und gesehen habe, dass in Neustadt nicht drei Tage lang mit großem Volksfestbetrieb „Kinderfest“ üppig gefeiert werde und die Kernelemente in der Tradition des Gregori auch in Neustadt zu finden seien. Dennoch würde er einem Untereintrag nur zustimmen, wenn das Kinderfest in „Gregorifest“ umbenannt würde. Ein Untertitel, z. B. „Neustadter Kinderfest in der Tradition des Gregoriusfestes“ oder „Gregori-Kinderfest Neustadt“, wäre die Zwischenlösung.

 

Die Stadt Neustadt wurde zudem zum Gregoriusfest in Kulmbach am 23.07.2022 eingeladen.

Die Teilnahme musste die Stadt aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vielen gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen in Neustadt kurzfristig absagen.

 

Ein weiteres Gespräch mit den Mitgliedern des Expertengremiums im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in Nürnberg soll im Herbst folgen.

 

Die Umbenennung des Neustadter Kinderfestes ist angesichts seiner langen und tief verwurzelten Tradition undenkbar. Im Rahmen der Bewerbung des Kinderfestes könnte auf die Gregori-Tradition verwiesen werden, das Expertengremium forderte allerdings keine Namensänderung als Bedingung oder Voraussetzung für einen Untereintrag im Bayerischen Landesverzeichnis.

 

Der Senat wird über den weiteren Verlauf informiert.