Sitzung: 13.09.2022 KS/022/2022
Beschluss: zur Kenntnis genommen
1. Sachverhalt
Direkt nach den
Abschlussarbeiten des Internationalen PuppenFestivals Neustadt und Sonneberg
2021 startete die Stadtverwaltung, Bereich Kultur Sport Tourismus, im Oktober
in die Bewerbung des Neustadter Kinderfestes als Immaterielles Kulturerbe in
das Bayerische Landesverzeichnis.
Immaterielles Kulturerbe – das
sind lebendige Traditionen, die einer Gemeinschaft ein Gefühl der Identität und
Kontinuität vermitteln. Diese kulturellen Ausdrucksformen werden entscheidend
von menschlichem Wissen und Können getragen und zeichnen sich durch ihre
Vielfalt aus. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben und dabei
in Auseinandersetzung mit der Umgebung – also etwa Natur bzw. Gesellschaft –
fortwährend neu gestaltet. Außerdem stehen sie im Einklang mit den bestehenden
internationalen Menschenrechtsübereinkünften, dem Anspruch gegenseitiger
Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen
Entwicklung.
Seit dem Jahr 2003 stellt die
UNESCO kulturelle Ausdrucksformen in den Fokus der Öffentlichkeit – darunter
den spanischen Flamenco, die japanische Puppentheatertradition oder die
iranische Teppich-Knüpfkunst. Überall auf der Welt sollen überliefertes Wissen
und Können, das einen wesentlichen Bestandteil unserer Alltagskulturen
ausmacht, als immaterielles Kulturerbe (IKE) sichtbar gemacht sowie Maßnahmen
unterstützt werden, die zur Erhaltung und Weiterentwicklung geeignet sind.
Bereiche, in denen
Immaterielles Kulturerbe zum Ausdruck gebracht wird, sind:
a) mündlich überlieferte
Traditionen und Ausdrucksweisen
b) darstellende Künste (Musik,
Theater, Tanz)
c) Bräuche, Rituale und Feste
d) Wissen und Bräuche in Bezug
auf die Natur und das Universum
e) traditionelle
Handwerkstechniken
f) Formen gesellschaftlicher
Selbstorganisation.
Die Bundesrepublik Deutschland
ist dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes im
Jahr 2013 beigetreten. Teil der innerstaatlichen Umsetzung ist die Einrichtung
eines Bundesweiten Verzeichnisses des Immateriellen Kulturerbes. Daneben
gibt es ein eigenes Bayerisches Landesverzeichnis.
Alle zwei Jahre besteht im
Rahmen bundesweit einheitlicher Bewerbungsphasen die Möglichkeit, einen
Aufnahmeantrag einzureichen. Eine unabhängige Expertenkommission begutachtet
zunächst auf Grundlage des UNESCO-Übereinkommens die eingereichten Bewerbungen.
Auf Basis dieser fachlichen Empfehlung wird in Bayern über eine Aufnahme in das
Bayerische Landesverzeichnis sowie die Nominierung für das Bundesweite
Verzeichnis entschieden. Die Kulturministerkonferenz erstellt aus den
Aufnahmevorschlägen aus den Bundesländern eine Gesamtliste. Sie beschließt
anschließend über die Aufnahmen in das Bundesweite Verzeichnis sowie über die
deutsche Nominierung für eine Aufnahme in die weltweiten UNESCO-Listen.
Die Stadt Neustadt bewarb sich
im November 2021 unter Kategorie c)
mit dem Neustadter Kinderfest und zusätzlich unter Kategorie b) mit dem
Neustadter Rutscher. Hierzu musste ein 17-seitiges Antragsformular mit Fragen
zu Entstehung und Wandel des Festes, zu Geschichte, Entwicklung, Wirkung u. v.
m. bearbeitet werden. Zusätzlich waren 10 Bilder einzureichen, die vor allem
die heutige Praxis der kulturellen Ausdrucksform illustrieren und ihre
Bedeutung sichtbar machen. Weiter bedurfte es zweier fachlicher
Begleitschreiben von sachkundigen Personen mit vertieftem Bezug zum Thema. Hilfe
hat sich die Stadt u. a. bei Heimatpflegerin Isolde Kalter aus Neustadt,
Kreisheimatpfleger Thomas Schwämmlein des Landkreises Sonneberg, Prof. Dr.
Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger für Oberfranken, sowie Herrn Dr. Helmut
Groschwitz der „Beratungs- und Forschungsstelle Immaterielles Kulturerbe
Bayern“ geholt.
Am 18. Februar 2022 traf ein Schreiben des Bayerischen
Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat zum o. g. Antrag im Bereich KST
mit folgendem Wortlaut ein:
„Im Rahmen der Prüfung hat sich herausgestellt, dass das Fest in der
Tradition der Gregoriusfeste steht,
die bereits im Bayerischen
Landesverzeichnis eingetragen sind. Wir würden Sie daher um eine Rückmeldung bis Ende Februar bitten,
ob Sie im Falle einer positiven Entscheidung über die Bewerbung damit
einverstanden wären, dass diese bereits eingetragene Kulturform ergänzt wird
um das „Neustadter Kinderfest“. Die bisherige Trägergruppe (Markt Thurnau in Abstimmung mit den Gemeinden Creußen,
Kasendorf, Kulmbach, Pegnitz und Schnabelwald) wird ebenfalls um
Rückmeldung gebeten, ob mit einer solchen Ergänzung Einverständnis bestünde. Wir bitten um Verständnis, dass zum
jetzigen Zeitpunkt noch keine endgültige Aussage zur Entscheidung über die
Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis getroffen werden kann.“
Die Stadtverwaltung Neustadt
bestätigte schriftlich, dass sie im Falle einer positiven Entscheidung über die
Bewerbung damit einverstanden sei, dass die im Bayerischen Landesverzeichnis
bereits eingetragene Kulturform („Gregoriusfeste“) um das „Neustadter
Kinderfest“ ergänzt werde.
Am 29. März 2022 erhielt der Bereich KST ein weiteres Schreiben des
Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, in dem sie auf die
Möglichkeit hingewiesen haben, den Antrag „Neustadter Kinderfest“ im Rahmen
eines verkürzten Verfahrens zu überarbeiten und neu einzureichen.
Am 19. April 2022 folgte eine E-Mail mit
einer Einladung zu einem Gespräch mit den Mitgliedern des Expertengremiums
am Freitag, 13. Mai im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für
Heimat in Nürnberg. Frau Brückner, Bereich KST, nahm an der Besprechung teil. Heimatpflegerin
Isolde Kalter war wegen Krankheit verhindert. Ebenfalls eingeladen und vor Ort
war 2. Bürgermeister Veit Pöhlmann (Markt Thurnau).
Das Gespräch diente dazu, die
Gründe für die Rückstellung des Antrags zu erläutern, um der Stadt Neustadt
dadurch die Möglichkeit zu eröffnen, den Antrag zu überarbeiten und ggf. erneut
einzureichen. Da der bisherige Eintrag „Gregoriusfest“ (Antragsteller Veit
Phölmann, Markt Thurnau) im Bayerischen Landesverzeichnis um das „Neustadter
Kinderfest“ erweitert werden soll, bedarf es der Zustimmung der bisherigen
Trägergruppe.
Veit Pöhlmann
stimmte einem Untereintrag nicht zu. Das Neustadter Kinderfest habe
Gregorius nicht im Wortlaut, es gebe 3-tägigen Volksfestbetrieb und die
Gregorius-Tradition käme nicht zum Ausdruck. Es werde drei Tage am Stück
gefeiert und das Neustadter Kinderfest im Rahmen von Neifeier und Marktfest
auch als 3-Tages-Event überall beworben. Dies sei auch der Grund gewesen,
weshalb die Trägergruppe die Stadt Neustadt b. Coburg damals bei ihrem Antrag
nicht mit einbezogen habe.
Frau Brückner
korrigierte Pöhlmanns Ansicht und stellte den tatsächlichen Ablauf sowie die
Elemente des Kinderfestes dar. Sie betonte dessen eigene und hervorgehobene
Wertigkeit und Bedeutung im Rahmen des Festwochenendes.
Das Expertengremium
sah keinen Grund für eine Nichtaufnahme in Form eines Untereintrages. Das Ergebnis
des Gespräches war letztendlich die Vereinbarung, dass die Städte und Gemeinden
gegenseitig Kinderfest und Gregoriusfeste besuchen und sich ein Bild machen
sollen.
Zum Bürgermeisterempfang am Kinderfesttag, 9.
Juli 2022, wurde die Trägergruppe daher nach Neustadt b. Coburg eingeladen.
Es reisten vier Vertreter an, darunter auch 2. Bgm. Veit Pöhlmann aus Markt
Thurnau.
Im gleichen Zuge
wurde die Stadt Neustadt zum Gregorifest in Kasendorf am 12.07.2022 eingeladen. Frau Brückner, Bereich
KST, nahm den Termin in Vertretung der Stadt Neustadt wahr. Sie stellte fest,
dass das Gregorifest in weiten Teilen mit der Tradition des Neustadter
Kinderfestes übereinstimmte, wenn auch im Umfang natürlich erheblich kleiner
war (Festumzug, Blaskapellen, Verzehrgutscheine für Kinder, Aktionen für
Kinder, Tänze und Aufführungen von Kindern, Blumenschmuck, Dekoration, Einzug
auf den Festplatz usw.).
Frau Brückner wurde
zugetragen, dass 2. Bgm. Veit Pöhlmann mittlerweile seine Meinung geändert und
gesehen habe, dass in Neustadt nicht drei Tage lang mit großem Volksfestbetrieb
„Kinderfest“ üppig gefeiert werde und die Kernelemente in der Tradition des
Gregori auch in Neustadt zu finden seien. Dennoch würde er einem Untereintrag
nur zustimmen, wenn das Kinderfest in „Gregorifest“ umbenannt würde. Ein
Untertitel, z. B. „Neustadter Kinderfest in der Tradition des Gregoriusfestes“
oder „Gregori-Kinderfest Neustadt“, wäre die Zwischenlösung.
Die Stadt Neustadt
wurde zudem zum Gregoriusfest in
Kulmbach am 23.07.2022 eingeladen.
Die Teilnahme
musste die Stadt aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vielen gleichzeitig
stattfindenden Veranstaltungen in Neustadt kurzfristig absagen.
Ein weiteres Gespräch mit den Mitgliedern des Expertengremiums im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat in Nürnberg soll im Herbst folgen.
Die Umbenennung des Neustadter Kinderfestes ist angesichts seiner langen und tief verwurzelten Tradition undenkbar. Im Rahmen der Bewerbung des Kinderfestes könnte auf die Gregori-Tradition verwiesen werden, das Expertengremium forderte allerdings keine Namensänderung als Bedingung oder Voraussetzung für einen Untereintrag im Bayerischen Landesverzeichnis.
Der Senat wird über den weiteren Verlauf informiert.